• Sweet Lullaby (links), Transformator (rechts); Museumsquartier Wien 2001
  • Sweet Lullaby
    Sweet Lullaby
    , 2000; Epoxy, Silikon, Aluminium, Schaumstoff; 200 x 300 x 70 cm
    Foto: Heinz Grosskopf
  • Oops (links), Transformator (rechts), Kunstverein Mannheim 2001
  • Oops
    Oops
    , 2002; Epoxy, Silikon, Aluminium, Schaumstoff, Plüsch; 300 x 50 x 70 cm
  • O.T.
    O.T.
    , 2002; Tuschestift auf Papier;  21 x 30 cm
O.T.
 
  • Sweet Lullaby (links), Transformator (rechts); Museumsquartier Wien 2001
  • Sweet Lullaby
    Sweet Lullaby
    , 2000; Epoxy, Silikon, Aluminium, Schaumstoff; 200 x 300 x 70 cm
    Foto: Heinz Grosskopf
  • Oops (links), Transformator (rechts), Kunstverein Mannheim 2001
  • Oops
    Oops
    , 2002; Epoxy, Silikon, Aluminium, Schaumstoff, Plüsch; 300 x 50 x 70 cm
  • O.T.
    O.T.
    , 2002; Tuschestift auf Papier;  21 x 30 cm
 
Sweet Lullaby
, Museumsquartier Wien, 2001, Kunstverein Mannheim, 2002[ Text einblenden ][ Text ausblenden ]
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Auch »Sweet Lullaby …« verkörpert jene rätselhaften Gesetze. Zwei Monitore – durch Schläuche wie Nabelschnüre miteinander verbunden – wiegen ein pelziges Wesen in einem Körbchen. Doch die Skulptur hat keinen festen Boden mehr unter sich. Sie schwebt im Raum und unterstreicht so das Traum- wie Albtraumhafte, das im Titel ironisch an¬klingt. Zugleich mag sie an Goyas berühmte Radierung »Der Traum der Vernunft gebiert Ungeheuer« erinnern und diese ins dritte Jahrtausend transformieren. Denn statt dem Horror der Bilder und den Fratzen der Dämonen zu folgen – die Goya in aufklärerischem Furor vorführte –, verweist Julie Hayward auf den sanften Terror der Bewußtseinsindustrie und die Manipulationsstrategien im virtuellen Zeitalter. Ein süßes Wiegenlied wird gesungen. Doch man weiß nicht, ob sich etwa die haarige Larve bloß als Tamagotchi entpuppt, das durch digitale Hege und Pflege am Leben erhalten wird. Oder trägt sie einen Virus in sich, der Gefahr bringt?
Die Objekte Julie Haywards eröffnen Projektionsflächen, die eine suggestive Logik entfalten. Gerade weil sie – trotz aller Monitore und Bildschirme – auf eingespeiste Bilder, sei es Foto-, Film- oder Videomaterial, konsequent verzichten, funktionieren sie als Blackbox für unsere Imagination. Es sind Ort-Zeit-Raum-Träume, die zwischen verschiedenen Dimensionen fließen und einen Transfer zwischen äußeren und inneren Bildern in Gang bringen und mitunter sogar eine fortlaufende Geschichte erzählen. Der »Transformator« etwa zeigt, wie das in der Wiege gehätschelte Plüschwesen von «»Sweet Lullaby« auf einmal zerteilt und in zwei würfelförmige Käfige gesperrt wird. Ist es der Iron Cage, das »stählerne Gehäuse« der Rationalität, wie Max Weber das Gefängnis des westlichen Bewußtseins beschrieben hat? Oder handelt es sich um Käfighaltung für gefährliche Organismen im Hightechlabor?
Käfig- und Gitterstrukturen gehören jedenfalls zum festen Formenrepertoire von Julie Hayward. Bei »Oops« bilden sie die Konstruktion für ein phallusartiges Gebilde, das bedrohlich im Raum schwebt und – der flapsige Titel deutet gleichermaßen Überraschung wie Peinlichkeit an – seine rätselhafte Macht in statu erectionis entfaltet.
Auf vieldeutige Art und Weise ist die Dimension des Sexuellen in Haywards Arbeiten präsent. Oftmals nur unterschwellig, dann deutlicher, wenn riesige Phalli die Skulpturen dominieren, schließlich explizit, wenn eine Arbeit »Sublimator« heißt.
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Bei allem Sinn für Ironie und – auch – Humor geht es bei den Skulpturen Julie Haywards niemals um das platte Illustrieren psychoanalytischer, biotechnischer oder medientheoretischer Diskurse. Die Objekte sind offen genug, um eine Brücke zu noch unbewußten Ausformungen der Lebenswirklichkeit zu schlagen. Es mögen Sensoren für Künftiges sein, wie einst Walter Benjamin in einer Notiz zu seinen Kunstwerk-Thesen formuliert hat: »Die Menschheit mit bestimmten Bildern vertraut zu machen, ehe noch die Zwecke, in deren Verfolgung dergleichen Bilder entstehen, dem Bewußtsein gegeben sind.«
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aus
Coming Home oder: Ankunft in der Fremde
Andreas Höll
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