- Ohne Titel, Again and Again, Miss Needy ( v.l.n.r.), Bildraum Bodensee, 2018
Foto: Petra Rainer - Again and Again, 2017, Aluminium, PVC, Schaumgummi, Textil, Acrystal, 240 x 190 x 285 cm
Foto: Petra Rainer - Miss Needy, 2016, MDF, Holz, Polyester, Aluminium, Softlack; 116 x 129 x 154 cm
Foto: Petra Rainer - When things fall apart, 2016, MDF, Aluminium, Softlack, 94 x 118 x 153 und 72 x 90 x 100 cm
Foto: Petra Rainer - O.T.(Strand) (links), Again and Again (rechts), Bildraum Bodensee, 2018
Foto: Petra Rainer - O.T. (Strand), 2017, Fine Art Print auf Hahnemühle Papier, Kaschiert und gerahmt, je: 70 x100 cm
Foto: Petra Rainer - Let’s dance, 2014, Polyester, Aluminium je 120 x 110 x 250 cm, 2014
Foto: Petra Rainer - Again and Again (vorne), Miss Needy (hinten),Bildraum Bodensee, 2017
- O.T., 2012, Klebefolie geplottet, 240 x 220 cm
Foto: Petra Rainer - O.T., 2007-2017, 21x30 cm, Tuschestift auf Papier
Foto: Petra Rainer
When things fall apart
, Bildraum Bodensee, 2018
Again and Again
Thomas Mießgang
It’s easy and easy and easy and easy
And creepy and creepy and creepy, oh
Again and again and again
(Status Quo)
Im Popsong ist das „Again and Again“ immer wieder beschworen worden: als glückliches Arkadien eines scheinbar endlosen Teenagerlebens genauso wie - deutlich nachhaltiger - als neurotischer Wiederholungszwang, der einen in das Gefängnis einer unerfreulichen existentiellen Situation einschließt, die man so schnell wie möglich hinter sich lassen möchte: „We gotta get out of this place“- der Hilfeschrei der Animals aus der fordistischen Epoche hallt auch heute noch nach.
Der Mythos des Sisyphos ist überall in einer durchgetakteten Welt, die scheinbar entzaubert und geheimnislos scheint. In der immer und immer wieder derselbe Stein nach oben gerollt wird und herunterstürzt, ohne dass sich jene fundamentale Umwertung der Werte, die sich beispielsweise mit dem Jahr 1968 verknüpft, je vollzogen hätte. Im Gegenteil: Bei jedem neuerlichen Versuch scheint der Stein noch weiter nach unten zu fallen und die Anstrengung, ihn, den Gesetzen der Schwerkraft trotzend, zu bewegen, wird immer größer.
Andererseits liegt in der Wiederholung auch die Möglichkeit zur ekstatischen Selbstverschwendung: Repetitionsmuster bergen, wie Technofans wissen, auch die Chance auf trancehafte Selbststeigerung und lassen einen wie durch ein Wurmloch in ein Paralleluniversum übertreten: Alice hinter den Spiegeln als Effekt habitueller Wiederholungspatterns, die als zentrales Steuerungssystem zeitgenössisches Handeln determinieren. „Easy“ und „creepy“ sind somit zwei Seiten einer Medaille, die mit dem Begriff „Zyklomoderne“ gut umschrieben ist: Mit der globalen Computer- und Medienrealität sei das Kreisen zur dominierenden Semantik der Weltkultur geworden, schreibt der Theoretiker Volker Demuth in seinem gleichnamigen Essay: „Wir leben in einer Zeit, die am Rotieren ist und in der die globalen Prozesse zunehmend zu zyklonischen Gebilden heranwachsen. Ihre Dynamik wird zur formativen kulturellen Konfiguration. Deswegen ist es unumgänglich, für die Gegenwart ein neues Deutungsmodell zu etablieren: Die Choreografie von Gesellschaften westlichen Typs ist aus der progressiven Moderne heraus- und in die Epoche einer Zyklomoderne eingetreten.“
In diesem Gedankenraum siedelt sich Julie Hayward`s Ausstellung „Again and Again“ an, die das titelgebende Werk mit den Arbeiten „Miss Needy“ und „When things fall apart“ verbindet. Gemeinsam ergeben die Titel ein Triptychon, das in der Zusammenschau einen skeptischen, wenn auch nicht vollkommen hoffnungslosen Blick auf prekäre Gegenwartsverhältnisse insinuiert: Wenn Miss Bedürftig erleben muss, dass ihre kleine Welt vom Auseinanderbrechen bedroht ist, setzt sie wieder und wieder an, um zusammenzuhalten, was ihrer Meinung nach zusammengehört.
Doch die Titel der Arbeiten von Julie Hayward sind immer nur Indikatoren, die nicht wortwörtlich umgesetzt werden, sondern sich bis zu einem gewissen Grad von der Semantik der Begriffe freispielen und sie, bei aller Formbewusstheit der Werke, in eine sprachliche Formlosigkeit, besser noch: Freeform überführen, in der sie sich multiperspektivisch auffächern.
Die neueste Arbeit „Again and again“ (2017) schließt mit ihrer Ästhetik der Verdoppelung und der von runden, weichen Formen beherrschten Kontur an frühere Werke an, andererseits scheint Julie Hayward hier eine Kunst der Reduktion und eine Verdichtung ihrer formalen Anliegen anzustreben: Die „Füße“ des zoomorph wirkenden Werkes sind mit einem schwarzen Lack überzogen, der an Gummi denken lässt: Eine schwere und zähe Materie, die sowohl eine solide Verankerung andeuten könnte wie auch ein Festgefrorensein in einem einengenden Existenzmodus. Aus diesen an Saugnäpfe erinnernden Modulen wachsen zarte mit Schaumgummi überzogene und einem schwarzem Stoff tapezierte „Beine“ - Avatare eines Willens zur Überwindung der Schwerkraft und damit auch der beengenden Seinsverhältnisse. Mit 240 Zentimeter Größe überragt die leicht vornüber geneigte Figur den Betrachter und beugt sich wie eine ungute Alien-Erscheinung über ihn: Eine nur vage geahnte bedrohliche Manifestation traumatischer Sachverhalte, die aus dem Bereich des Reve noir in die Wirklichkeit des sinnlich Erfassbaren herübergeholt wird: Welcome to my Nightmare!
Man mag in der Skulptur, die hart und weich zugleich ist, eine minimalistische Formvollendung sehen oder den Beginn einer Handlungsreihe, die optional als Metapher für „das Stereotype der Massengesellschaft“ (Peter Roehr) fortgesetzt werden könnte. Vielleicht auch eine stilisierte Sisyphos-artige Gestalt, die sich gerade anschickt, unter großem Kraftaufwand einen Schritt zu machen, der womöglich ins Leere führen könnte.
Flankiert wird „Again and Again“ von „Miss Needy“ (2016), komponiert aus einer massiven schwarzen Platte, unter der insektoide Trippelfüßchen Spitzentanz spielen. Darüber warten an Stangen befestigte nach oben offene Gefäße darauf befüllt zu werden – womit auch immer. „When things fall apart“ wiederum kombiniert eine durch Alustangen verbundene Doppelform aus einer schwarzen Polyesterlegierung, die einen Raum aufschließt und an eine Schaukel oder ein Kinderbett erinnert mit einem danebenliegenden chaotischen Haufen von, wie die Künstlerin sagt, „abgefertigten Teilen.“ Produktionsausschuss also oder Fehlformen, die als aleatorische Agglomeration wiederum einen eigenen Reiz entfalten.
Es ist eine Qualität der Kunst von Julie Hayward, auch der älteren Arbeiten „Let`s dance“ und „O.T.“, die sich am gleichen Non-Lieu zwischen der Illusion von Heimat und einer tief empfundenen transzendentalen Obdachlosigkeit ansiedeln, dass sie (Anti)form und abstrakte Gestaltungslust aus dem Elfenbeinturm befreien und mit der Dringlichkeit zeitgenössischer Seinsverhältnisse aufladen kann, ohne sich der Apodiktik des Konkreten zu unterwerfen. Es gelingt ihr mit einem Balanceakt zwischen Transparenz und Opazität, zwischen Figuration und apriorisch gedeuteten Sinn- und Sinnlichkeitsgehalten eine Annäherung an die dem Menschen zutiefst innewohnende Logik im Sinne von Hermann Broch: Formen und Farben, Bilder und Strukturen, hat der Dichter geschrieben, würden aufeinander wirken, sich gegenseitig erhellen und ergänzen. Dies sei die einzige Art, um aufzeigen zu können, „wie die höchsten geistigen Ziele des Menschen unmittelbar mit seinem kaum erahnbaren Wesensgrund verknüpft sind.“
Thomas Mießgang
It’s easy and easy and easy and easy
And creepy and creepy and creepy, oh
Again and again and again
(Status Quo)
Im Popsong ist das „Again and Again“ immer wieder beschworen worden: als glückliches Arkadien eines scheinbar endlosen Teenagerlebens genauso wie - deutlich nachhaltiger - als neurotischer Wiederholungszwang, der einen in das Gefängnis einer unerfreulichen existentiellen Situation einschließt, die man so schnell wie möglich hinter sich lassen möchte: „We gotta get out of this place“- der Hilfeschrei der Animals aus der fordistischen Epoche hallt auch heute noch nach.
Der Mythos des Sisyphos ist überall in einer durchgetakteten Welt, die scheinbar entzaubert und geheimnislos scheint. In der immer und immer wieder derselbe Stein nach oben gerollt wird und herunterstürzt, ohne dass sich jene fundamentale Umwertung der Werte, die sich beispielsweise mit dem Jahr 1968 verknüpft, je vollzogen hätte. Im Gegenteil: Bei jedem neuerlichen Versuch scheint der Stein noch weiter nach unten zu fallen und die Anstrengung, ihn, den Gesetzen der Schwerkraft trotzend, zu bewegen, wird immer größer.
Andererseits liegt in der Wiederholung auch die Möglichkeit zur ekstatischen Selbstverschwendung: Repetitionsmuster bergen, wie Technofans wissen, auch die Chance auf trancehafte Selbststeigerung und lassen einen wie durch ein Wurmloch in ein Paralleluniversum übertreten: Alice hinter den Spiegeln als Effekt habitueller Wiederholungspatterns, die als zentrales Steuerungssystem zeitgenössisches Handeln determinieren. „Easy“ und „creepy“ sind somit zwei Seiten einer Medaille, die mit dem Begriff „Zyklomoderne“ gut umschrieben ist: Mit der globalen Computer- und Medienrealität sei das Kreisen zur dominierenden Semantik der Weltkultur geworden, schreibt der Theoretiker Volker Demuth in seinem gleichnamigen Essay: „Wir leben in einer Zeit, die am Rotieren ist und in der die globalen Prozesse zunehmend zu zyklonischen Gebilden heranwachsen. Ihre Dynamik wird zur formativen kulturellen Konfiguration. Deswegen ist es unumgänglich, für die Gegenwart ein neues Deutungsmodell zu etablieren: Die Choreografie von Gesellschaften westlichen Typs ist aus der progressiven Moderne heraus- und in die Epoche einer Zyklomoderne eingetreten.“
In diesem Gedankenraum siedelt sich Julie Hayward`s Ausstellung „Again and Again“ an, die das titelgebende Werk mit den Arbeiten „Miss Needy“ und „When things fall apart“ verbindet. Gemeinsam ergeben die Titel ein Triptychon, das in der Zusammenschau einen skeptischen, wenn auch nicht vollkommen hoffnungslosen Blick auf prekäre Gegenwartsverhältnisse insinuiert: Wenn Miss Bedürftig erleben muss, dass ihre kleine Welt vom Auseinanderbrechen bedroht ist, setzt sie wieder und wieder an, um zusammenzuhalten, was ihrer Meinung nach zusammengehört.
Doch die Titel der Arbeiten von Julie Hayward sind immer nur Indikatoren, die nicht wortwörtlich umgesetzt werden, sondern sich bis zu einem gewissen Grad von der Semantik der Begriffe freispielen und sie, bei aller Formbewusstheit der Werke, in eine sprachliche Formlosigkeit, besser noch: Freeform überführen, in der sie sich multiperspektivisch auffächern.
Die neueste Arbeit „Again and again“ (2017) schließt mit ihrer Ästhetik der Verdoppelung und der von runden, weichen Formen beherrschten Kontur an frühere Werke an, andererseits scheint Julie Hayward hier eine Kunst der Reduktion und eine Verdichtung ihrer formalen Anliegen anzustreben: Die „Füße“ des zoomorph wirkenden Werkes sind mit einem schwarzen Lack überzogen, der an Gummi denken lässt: Eine schwere und zähe Materie, die sowohl eine solide Verankerung andeuten könnte wie auch ein Festgefrorensein in einem einengenden Existenzmodus. Aus diesen an Saugnäpfe erinnernden Modulen wachsen zarte mit Schaumgummi überzogene und einem schwarzem Stoff tapezierte „Beine“ - Avatare eines Willens zur Überwindung der Schwerkraft und damit auch der beengenden Seinsverhältnisse. Mit 240 Zentimeter Größe überragt die leicht vornüber geneigte Figur den Betrachter und beugt sich wie eine ungute Alien-Erscheinung über ihn: Eine nur vage geahnte bedrohliche Manifestation traumatischer Sachverhalte, die aus dem Bereich des Reve noir in die Wirklichkeit des sinnlich Erfassbaren herübergeholt wird: Welcome to my Nightmare!
Man mag in der Skulptur, die hart und weich zugleich ist, eine minimalistische Formvollendung sehen oder den Beginn einer Handlungsreihe, die optional als Metapher für „das Stereotype der Massengesellschaft“ (Peter Roehr) fortgesetzt werden könnte. Vielleicht auch eine stilisierte Sisyphos-artige Gestalt, die sich gerade anschickt, unter großem Kraftaufwand einen Schritt zu machen, der womöglich ins Leere führen könnte.
Flankiert wird „Again and Again“ von „Miss Needy“ (2016), komponiert aus einer massiven schwarzen Platte, unter der insektoide Trippelfüßchen Spitzentanz spielen. Darüber warten an Stangen befestigte nach oben offene Gefäße darauf befüllt zu werden – womit auch immer. „When things fall apart“ wiederum kombiniert eine durch Alustangen verbundene Doppelform aus einer schwarzen Polyesterlegierung, die einen Raum aufschließt und an eine Schaukel oder ein Kinderbett erinnert mit einem danebenliegenden chaotischen Haufen von, wie die Künstlerin sagt, „abgefertigten Teilen.“ Produktionsausschuss also oder Fehlformen, die als aleatorische Agglomeration wiederum einen eigenen Reiz entfalten.
Es ist eine Qualität der Kunst von Julie Hayward, auch der älteren Arbeiten „Let`s dance“ und „O.T.“, die sich am gleichen Non-Lieu zwischen der Illusion von Heimat und einer tief empfundenen transzendentalen Obdachlosigkeit ansiedeln, dass sie (Anti)form und abstrakte Gestaltungslust aus dem Elfenbeinturm befreien und mit der Dringlichkeit zeitgenössischer Seinsverhältnisse aufladen kann, ohne sich der Apodiktik des Konkreten zu unterwerfen. Es gelingt ihr mit einem Balanceakt zwischen Transparenz und Opazität, zwischen Figuration und apriorisch gedeuteten Sinn- und Sinnlichkeitsgehalten eine Annäherung an die dem Menschen zutiefst innewohnende Logik im Sinne von Hermann Broch: Formen und Farben, Bilder und Strukturen, hat der Dichter geschrieben, würden aufeinander wirken, sich gegenseitig erhellen und ergänzen. Dies sei die einzige Art, um aufzeigen zu können, „wie die höchsten geistigen Ziele des Menschen unmittelbar mit seinem kaum erahnbaren Wesensgrund verknüpft sind.“