- I can´t see you 2, 2019, MDF, Aluminium, Schaumgummi, 125 x 132 x 163 cm (links);
I can´t see you 1, 2019; MDF, Polyurethan, Aluminium, Gummi; 120 x 132 x 154 cm (rechts);
Foto: Georg Molterer - I can` t see you 1, 2019, MDF, Polyurethan, Aluminium, Gummi; 120 x 132 x 154 cm;
Foto: Georg Molterer - Miss Needy, Again and Again, I can´t see you 2 (vlnr); TANK 203.3040.AT, 2019
Foto: Georg Molterer - O.T. (Strand) 1+2, 2017 (links);
Again and Again, 2017, Aluminium, PVC, Schaum-gummi, Textil, Acrystal; 240 x190 x 285 cm (rechts)
Foto: Georg Molterer - Miss Needy, Again and Again, 3-D Brille (vlnr), TANK 203.3040.AT, 2019
Foto: Georg Molterer - I can´t see you 1, Miss Needy, Again and Again, I cant see you 2; (vlnr) TANK 203.3040.AT, 2019
Foto: Georg Molterer - Again and Again, 2017, Aluminium, PVC, Schaumgummi, Textil, Acrystal, 240 x 190 x 285 cm
Foto: Georg Molterer
I can´t see you 1+2
, TANK 203.3040.AT, 2019
Ambivalenzen: Julie Hayward + Ruth Schnell im TANK 203.3040.AT
Patricia Grzonka
...
Die vier Skulpturen Julie Haywards spielen mit unterschiedlichen Präsenzen im Raum. Eine gewisse komplementäre Verwandtschaft verbindet die beiden neuesten Arbeiten: „I can’t see you 1“ und „I can’t see you 2“ von 2019. Bei beiden wird ein Gerüst aus Alurohren mit unterschiedlichen Elementen kombiniert: Bei „I can’t see you 1“ mit einer 6 mm dicken Gummischicht, die wie eine Wanne zwischen dem Gerüst und zwei lackierten MDF-Platten hängt, und bei „I can’t see you 2“ mit einer Schaumgummimatte, die von ebensolchen MDF-Platten festgehalten wird. Auffällige Teile, auf die sich auch der Titel der Arbeiten bezieht, sind Stülpformen, die wie Augäpfel mal nach innen, mal nach außen „schauen“. Die zwei Objekte sind komplementär in der Ausrichtung ihrer Hohlformen, die die herausgezogenen Stielaugen mal in sich hinein- und mal aus sich herausschauen lassen.
Die größte Arbeit „Again and again“ (2017) weist eine Höhe von 2,4 m auf. Sie scheint fast am Boden festzukleben und möchte sich gleichzeitig irgendwie fortbewegen. Aus der Nähe betrachtet erkennen wir zudem ein elastisches Gewebe, das die vier Schaumgummi – Beine straff umspannt. Die Skulptur scheint zu kippen, wie in Bewegung festgefroren. Es ist kein Zufall, dass solche organischen, amorphen Assoziationen auftauchen: Der Ursprung von Haywards Arbeiten – und darin ist sie äußerst konsequent – sind Entwürfe, die frei am Papier entstehen und die so lange bearbeitet werden, bis sich die „Form aus dem ursprünglichen Gedanken herausgeschält hat“, wie Hayward mit Verweis auf Jean Starobinski sagt. Sie arbeitet nach diesen Zeichnungen am dreidimensionalen Konzept und an der Planung ihrer manuellen Ausarbeitung, die oft langwierig und komplex ist. Der Reiz dieser Arbeiten liegt in ihrer Hin- und Hergerissenheit zwischen biomorpher und futuristischer Anmutung zugleich. Das Zeichenhafte, ein narratives, anschauliches Moment, das auch emotional und psychisch fordernd ist, liegt ihnen zugrunde.
Ist „Again and again“ eher als festgefrorener Biomorphismus konnotiert, so gehen die drei anderen Werke in eine etwas andere Richtung: Nicht nur „I can’t see you 1 / I can’t see you 2“ wirken maschinenaffiner in ihrer Anlage, auch „Miss Needy“ (2016) ist eine Komposition aus MDF, Aluminiumrohren und mit Softlack beschichteten Polyesterformen, die ähnliche zylinderförmige Hohlformen bilden wie beim jüngeren Gegensatzpaar.
Die materielle Basis aus der Haywards Skulpturen bestehen, ist eine Welt für sich: mit großer Präzision in der Planung und Herstellung entsteht eine feine Kombination aus verschiedensten Sonderanfertigungen, wie z.B. der laser geschnittenen Aluminiumscheiben, der speziellen „Gummifüsschen“, oder der Buchbinderhülsenmuttern, mit denen manche Teile von „I can’t see you 1 und 2“ zusammengehalten werden. Zusätzlich zu diesen vier skulpturalen Arbeiten zeigt Hayward zwei Fotografien aus ihrer Serie mit vorgefundenen Raumsituationen, hier zwei Aufnahmen eines verlassenen Bunkers in Frankreich.
Julie Haywards Arbeiten beschwören eine intensive Parallelwelt, die aus einem Fundus der menschlichen Psyche geschöpft ist. Ihr Oszillieren zwischen organisch-biomorpher und futuristisch-maschineller Formensprache lassen sich dabei in keine gegenständliche Begriffen fassen – aber gerade dadurch erweisen sich diese Objekte als autonom. Die Künstlerin stellt mithin etwas dar, das sonst nicht sichtbar wäre – und in dieser Verschiebung der Realität von der psychischen auf einen physischen Körper, der nicht unserer menschlichen Hülle entspricht, liegt ihre Bedeutung.
...
aus Ambivalenzen: Julie Hayward + Ruth Schnell im TANK 203.3040.AT
Patricia Grzonka
Gesamten Autorentext lesen
Patricia Grzonka
...
Die vier Skulpturen Julie Haywards spielen mit unterschiedlichen Präsenzen im Raum. Eine gewisse komplementäre Verwandtschaft verbindet die beiden neuesten Arbeiten: „I can’t see you 1“ und „I can’t see you 2“ von 2019. Bei beiden wird ein Gerüst aus Alurohren mit unterschiedlichen Elementen kombiniert: Bei „I can’t see you 1“ mit einer 6 mm dicken Gummischicht, die wie eine Wanne zwischen dem Gerüst und zwei lackierten MDF-Platten hängt, und bei „I can’t see you 2“ mit einer Schaumgummimatte, die von ebensolchen MDF-Platten festgehalten wird. Auffällige Teile, auf die sich auch der Titel der Arbeiten bezieht, sind Stülpformen, die wie Augäpfel mal nach innen, mal nach außen „schauen“. Die zwei Objekte sind komplementär in der Ausrichtung ihrer Hohlformen, die die herausgezogenen Stielaugen mal in sich hinein- und mal aus sich herausschauen lassen.
Die größte Arbeit „Again and again“ (2017) weist eine Höhe von 2,4 m auf. Sie scheint fast am Boden festzukleben und möchte sich gleichzeitig irgendwie fortbewegen. Aus der Nähe betrachtet erkennen wir zudem ein elastisches Gewebe, das die vier Schaumgummi – Beine straff umspannt. Die Skulptur scheint zu kippen, wie in Bewegung festgefroren. Es ist kein Zufall, dass solche organischen, amorphen Assoziationen auftauchen: Der Ursprung von Haywards Arbeiten – und darin ist sie äußerst konsequent – sind Entwürfe, die frei am Papier entstehen und die so lange bearbeitet werden, bis sich die „Form aus dem ursprünglichen Gedanken herausgeschält hat“, wie Hayward mit Verweis auf Jean Starobinski sagt. Sie arbeitet nach diesen Zeichnungen am dreidimensionalen Konzept und an der Planung ihrer manuellen Ausarbeitung, die oft langwierig und komplex ist. Der Reiz dieser Arbeiten liegt in ihrer Hin- und Hergerissenheit zwischen biomorpher und futuristischer Anmutung zugleich. Das Zeichenhafte, ein narratives, anschauliches Moment, das auch emotional und psychisch fordernd ist, liegt ihnen zugrunde.
Ist „Again and again“ eher als festgefrorener Biomorphismus konnotiert, so gehen die drei anderen Werke in eine etwas andere Richtung: Nicht nur „I can’t see you 1 / I can’t see you 2“ wirken maschinenaffiner in ihrer Anlage, auch „Miss Needy“ (2016) ist eine Komposition aus MDF, Aluminiumrohren und mit Softlack beschichteten Polyesterformen, die ähnliche zylinderförmige Hohlformen bilden wie beim jüngeren Gegensatzpaar.
Die materielle Basis aus der Haywards Skulpturen bestehen, ist eine Welt für sich: mit großer Präzision in der Planung und Herstellung entsteht eine feine Kombination aus verschiedensten Sonderanfertigungen, wie z.B. der laser geschnittenen Aluminiumscheiben, der speziellen „Gummifüsschen“, oder der Buchbinderhülsenmuttern, mit denen manche Teile von „I can’t see you 1 und 2“ zusammengehalten werden. Zusätzlich zu diesen vier skulpturalen Arbeiten zeigt Hayward zwei Fotografien aus ihrer Serie mit vorgefundenen Raumsituationen, hier zwei Aufnahmen eines verlassenen Bunkers in Frankreich.
Julie Haywards Arbeiten beschwören eine intensive Parallelwelt, die aus einem Fundus der menschlichen Psyche geschöpft ist. Ihr Oszillieren zwischen organisch-biomorpher und futuristisch-maschineller Formensprache lassen sich dabei in keine gegenständliche Begriffen fassen – aber gerade dadurch erweisen sich diese Objekte als autonom. Die Künstlerin stellt mithin etwas dar, das sonst nicht sichtbar wäre – und in dieser Verschiebung der Realität von der psychischen auf einen physischen Körper, der nicht unserer menschlichen Hülle entspricht, liegt ihre Bedeutung.
...
aus Ambivalenzen: Julie Hayward + Ruth Schnell im TANK 203.3040.AT
Patricia Grzonka
Gesamten Autorentext lesen