Auftauchen oder: die andere Passage
Gestaltung einer Unterführung zwischen Fluss und Stadtraum in Wien
Lucas Gehrmann

Für gewöhnlich wird „abgetaucht“, wenn eine Unterführung betreten oder angefahren wird. Und drinnen möglichst zügig durchgetaucht, um rasch wieder ins Freie zu gelangen. Unterführungen laden gemeinhin nicht zum Reflektieren über das (eigene) Passieren derselben ein.
Anders mag sich das in der von Julie Hayward gestalteten Passage vom Wiener Donaukanal (unter der Zubringerstraße zur Flughafenautobahn) zur Löwengasse und viceversa verhalten. Zunächst signalisiert ein über dem kanalseitigen Eingang angebrachter Hinweis freundlich, dass es nach dem Einstieg in die dort trichterförmige Verengung bald aufwärts gehen wird: „auftauchen“ steht hier in handschriftlichen weißen Lettern groß geschrieben. Und zugleich tauchen wir, vom Flussniveau herkommend, auf in das etwas höher gelegene Häusermeer. Dabei wird es zwischenzeitlich nicht duster wie in geläufigen Untergründen, sondern zwei Leuchtstreifen geleiten uns hindurch und hinauf, wobei sie nicht nur selbst leuchten, sondern das kräftige Blau reflektieren lassen, in das Wände wie Decke der Passage getaucht sind.
Am umgekehrten Weg wird per Gefälle abgetaucht Richtung Fluss, jetzt aber nicht mit schriftlicher, sondern bildsprachlicher Unterstützung: Vom stadtseitigen Ein- bzw. Abgang aus bietet sich den PassantInnen der Blick auf ein „Aquarium“. Bei näherem Hinschauen mag dieses als ein im Inneren des Durchgangs angebrachtes großformatiges Leuchtbild erkannt werden, ohne dass enträtselt werden könnte, was hier genau zu sehen ist – ein nach rechts wegschwimmendes oder auftauchendes Lebewesen, kein menschliches vermutlich, doch wenn ein Tier, dann was für eines? Danach geht’s weiter in jenem blauen, von Lichtbändern gesäumten Raum, den die Entgegenkommenden zuerst betreten; den zum Fluss Hinstrebenden erweist sich dessen Blau als tonal verwandt mit der wässrigen Farbe des Aquariumbildes. Zudem bietet sich ihnen ab hier als Point de Vue ein Stück realer Natur: am Ende des Tunnels leuchtet ein Baum, je nach Tages- oder Nachtzeit natürlich oder künstlich angestrahlt.
Julie Hayward arbeitet hier wie in ihrem skulpturalen, zeichnerischen und fotografischen Werk „äquibrilierend“, also Ausgleiche schaffend – und zugleich thematisierend – zwischen Spannungszuständen physischer und psychischer Natur. Sie verwendet „Fundstücke aus der Realität“ ebenso wie Bilder, die aus dem Unterbewusstsein auftauchen – und schafft daraus „schwebende Zustände, eine Aneinanderreihung widersprüchlicher Formen, in die das menschliche Auge Zusammenhänge assoziiert“ (Eva Mayer). Ein Mittel, das geeignet erscheint, um Ängste und Aggressionen auch im öffentlichen Raum auszuhebeln.

Erschienen anlässlich:
„abtauchen/auftauchen“, 2009, Gestaltung der Unterführung Löwengasse 1, 1030 Wien
Auftraggeber: KÖR Wien, MA 29 Brückenbau und Grundbau